Klinik darf Arbeitnehmer nicht freistellen, um Aufhebungsvertrag zu erzwingen

Eine tariflich unkündbare Fachärztin erhielt einen neuen Chef. Doch mit diesem gab es Probleme. Der Chef wollte die Ärztin deswegen loswerden. Er drängte sie, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Weil sich die Ärztin aber weigerte, wurde sie von der Klinik freigestellt (Suspendierung). Die Ärztin zog daraufhin mit einem Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz („Eilverfahren“) vor Gericht. Sie erhielt damit Recht. Nunmehr auch in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein.


Chefarzt will Fachärztin loswerden

Die klagende Fachärztin ist tariflich unkündbar. 2018 übernahm ein neuer Chefarzt die Klinik, in der die Ärztin tätig war. Seit dessen Arbeitsantritt kam es zu Spannungen zwischen den beiden. Als die Ärztin Ende November 2019 nach längerer Arbeitsunfähigkeit wieder zur Arbeit erschien, wurde sie unter Fortzahlung der Vergütung „insbesondere auch für Verhandlungen über die Aufhebung bzw. Abwicklung ihres Anstellungsverhältnisses“ freigestellt. Weiterhin musste sie ihre Mitarbeiterausweise, Zugangsberechtigungen, Laptop, Datenträger, Visitenkarten und Schlüssel abgeben. Ihr Account im System der Arbeitgeberin wurde gelöscht.

Die Ärztin verlangte per Einstweiliger Verfügung ihre Beschäftigung als geschäftsführende Oberärztin.

Animositäten sind kein Grund für Freistellung

Auch in zweiter Instanz erhielt die Ärztin Recht. Sie verliert ihre Position nicht dadurch, dass diese an einen vom Chefarzt mitgebrachten Oberarzt vergeben wird. Ein durch den neuen Chefarzt hervorgerufener Teamüberhang ist kein schutzwürdiges Interesse für eine Freistellung. Auch nicht, wenn das Team nicht mehr „passt“. Persönliche Animositäten lassen den Beschäftigungsanspruch nicht entfallen.

Ärztin hat sich nichts zu Schulden kommen lassen

Der Arbeitgeber hat die Ärztin durch die erzwungene Freistellung von einem Tag auf den anderen beruflich ausgeschaltet, ohne dass sich die Klägerin etwas zu Schulden hat kommen lassen. Die Klinik hat die einseitige Freistellung zur Durchsetzung nicht schutzwürdiger Eigeninteressen missbraucht: Kein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer muss gegen seine Willen Verhandlungen über die Aufhebung und Abwicklung des eigenen Anstellungsvertrages führen.

Anspruch der Ärztin war dringend

Die Klinik hatte die Ärztin mit der Freistellung nach innen und außen „unsichtbar“ gemacht. Er hat sie von den Systemen und EDV-Zugängen getrennt und die Homepage verändert. Die Ärztin war sowohl für die Krankenversorgung als auch für die Wissenschaft und die Forschung nicht mehr existent. Dem musste mit einer Eilentscheidung Einhalt geboten werden.

Referenz: Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein 6. Februar 2020, Az. 3 SaGa 7 öD/19

Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 9. April 2020

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert