Wer bei einem Arbeitsunfall verletzt wird, der bekommt Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings kein Schmerzensgeld und auch keinen Ersatz materieller Schäden. Wer diese Posten dann vom Arbeitgeber fordert, der hat es schwer. Das musste gerade eine Pflegekraft erfahren. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat am vergangenen Donnerstag ihre Forderungen zurückgewiesen.
Sturz im Dunkeln
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die ein Seniorenpflegeheim betreibt, langjährig als Pflegefachkraft beschäftigt. Das Gebäude des Seniorenpflegeheims hat zwei Eingänge, einen Haupt- und einen Nebeneingang. An beiden Eingängen befinden sich Arbeitszeiterfassungsgeräte. Der Haupteingang ist beleuchtet, der Nebeneingang nicht.
Im Dezember 2016 erlitt die Klägerin kurz vor Arbeitsbeginn um etwa 7:30 Uhr einen Unfall auf einem Weg, der sich auf dem Betriebsgelände des Seniorenpflegeheims befindet. Dieser führt zum Nebeneingang. Es war noch dunkel, als sie ihr Fahrzeug auf einem Parkplatz außerhalb des Betriebsgeländes abstellte und sich zu Fuß zum Nebeneingang begab. Kurz bevor sie diesen erreichte, rutschte sie auf dem Weg aus. Dabei erlitt sie eine Außenknöchelfraktur.
Von der Berufsgenossenschaft erhielt die Klägerin ein Verletztengeld. Denn einen Arbeitsunfall hatte die Klägerin zweifelsfrei erlitten. Allerdings zahlt die Berufsgenossenschaft kein Schmerzensgeld und ersetzt auch keine materiellen Schäden. Deswegen nahm die Klägerin den Arbeitgeber in Anspruch.
Haftungsprivileg des Arbeitgebers?
Doch die Gerichte haben die Forderung der Klägerin in drei Instanzen abgewiesen. Zunächst einmal wird der Arbeitgeber in solchen Fällen von der Haftung ganz grundsätzlich befreit (Haftungsprivileg nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Davon gibt es zwei Ausnahmen:
- Es lag ein Wegeunfall vor.
- Oder der Versicherungsfall ist vom Unternehmer vorsätzlich herbeigeführt worden.
Kein Wegeunfall
Gegen den Wegeunfall sprach, dass sich der Unfall auf dem Gelände des Arbeitgebers ereignet hat. Er war also nicht auf dem Weg zur Arbeitsstelle vorgefallen.
Kein Vorsatz
Und was den Vorsatz des Unternehmers angeht: Das Bundesarbeitsgericht urteilt, dazu sei ein „doppelter Vorsatz“ erforderlich. Der Vorsatz des Schädigers muss sich nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen. Ein solcher Vorsatz habe aber beim Arbeitgeber nicht vorgelegen.
Deswegen bekommt die Pflegekraft also weder Schmerzensgeld noch Schadensersatz von ihrem Arbeitgeber.
Referenz: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. November 2019, Az. 8 AZR 35/19
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. November 2019