Eine Agentur vermittelt Arbeitnehmer nach Deutschland, zur „24 Stunden Pflege zu Hause“. Das geschah auch bei einer Frau aus Bulgarien. Sie betreute eine 96-jährige Dame. In ihrem Arbeitsvertrag war eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart. Faktisch hat die klagende Betreuungskraft jedoch bei weitem mehr gearbeitet. Deswegen sind täglich 21 Stunden mit Mindestlohn zu vergüten. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 17. August 2020 entschieden.
In dem Arbeitsvertrag mit der Vermittlungsagentur war für die klagende Betreuungskraft eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart. Laut Betreuungsvertrag mit der zu versorgenden Dame musste die Pflegerin umfassende Betreuung mit Körperpflege, Hilfe beim Essen, Führung des Haushalts und Gesellschaftleisten erbringen. Deswegen war ein Betreuungsentgelt für 30 Stunden wöchentlich vorgesehen. Die Betreuungskraft war gehalten, in der Wohnung der zu betreuenden Dame zu wohnen und zu übernachten.
Rund um die Uhr im Einsatz
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Vergütung von 24 Stunden täglich für mehrere Monate gefordert. Sie sei in dieser Zeit von 6 Uhr morgens bis etwa 22/23 Uhr im Einsatz gewesen. Auch nachts habe sie sich bereithalten müssen, falls sie benötigt werde. Sie habe deshalb für die gesamte Zeit einen Anspruch auf den Mindestlohn. Der Arbeitgeber hat die behaupteten Arbeitszeiten bestritten und sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit berufen.
Arbeitgeber handelte treuwidrig
Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin den geforderten Mindestlohn ausgehend von einer täglichen Arbeitszeit von 21 Stunden zugesprochen. Es ist treuwidrig, wenn sich der Arbeitgeber auf die vereinbarte Begrenzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden beruft. Denn den Pflegebedürftigen ist eine umfassende Betreuung zugesagt. Außerdem hat sich der Arbeitgeber bei der der Kontrolle aus der Verantwortung gestohlen. Es ist aber seine Aufgabe des Arbeitgebers, die Einhaltung von Arbeitszeiten zu organisieren.
30 Stunden sind unrealistisch
Die angesetzte Zeit von 30 Stunden wöchentlich erscheint dem Landesarbeitsgericht für das zugesagte Leistungsspektrum unrealistisch. Die vergütungspflichtige Zeit ergebe sich daraus, dass auch in der Nacht vergütungspflichtiger Bereitschaftsdienst geleistet worden ist. Da es der Klägerin jedoch zumutbar gewesen sei, sich in einem begrenzten Umfang von geschätzt drei Stunden täglich den Anforderungen zu entziehen, war nach Auffassung des Gerichts eine vergütungspflichtige Arbeitszeit von täglich 21 Stunden anzunehmen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Referenz: Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2020, Az. 21 Sa 1900/19
Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2020